Breslau II

 


Bei der "Mutter aller Frühstücke" heute früh entschieden wir uns, trotz oder gerade wegen des Regens noch einen Tag in Breslau zu bleiben. Wir wollten die Gelegenheit nutzen und in einem oder zwei Museen noch etwas über die Stadt zu lernen. 

Und bevor ich es vergesse: Die "Zwerge" in der Stadt (angeblich über 600) beruhten auf einer Art Widerstand gegen die politische Führung in den 80igern und wurden als Symbol der Stadt später fortgeführt. Und große Überraschung: Das Konzept wurde von der Stadt Hitzacker übernommen und die 44 Hitzacker-Zwerge wurden sogar von der gleichen Künstlerin geschaffen. Wer hätte das gedacht? Parallelen überall. (PS: die Objekte sind oben übrigens deswegen so hell, weil jeder die kleinen Kerle antatscht, da das angeblich Glück bringen soll).

Nach dem Frühstück machten wir uns also relativ schnell auf den Weg. Weit hatten wir es ja auch nicht. Was angesichts der Wassermassen, die vom Himmel fielen auch gut war. 

Unser erster Weg führte uns ins "Stary Ratusz" am (südlichen) Rynek. Wir hofften dort einen Einblick in die Geschichte Wroclaws zu bekommen. Falsch gedacht. In erster Linie ging es da um Öllampen (aha?) und die Schützengilde und ihre Mitglieder der vergangenen Jahrhunderte. Zu letzteren kann ich nur sagen: wenn ich dort auch solche lächerlichen Uniformen hätte tragen müssen, wäre ich lieber (weiter) Pazifist geblieben. Also alles in allem nicht so interessant. Da uns "Dali" und "Miro" auch nicht so packen konnten, suchten wir uns das nächste Museum. 

Das fanden wir einige hundert Meter weiter südlich im "Palac Krolewski", wo sich das Stadtmuseum von Breslau/Wroclaw befindet. Mit den Namen hat man es hier übrigens nicht so. Oder ich schnall das nur mal wieder nicht. Immer wieder heißen die Gebäude mal so, dann wieder mal so. Je nach Stadtplan, auf den man schaut. Und was sie enthalten, könnte vielleicht ein guter Reiseführer verraten (den wir übrigens zu Hause vergessen haben). Aber im Netz ist die Suche nach dem "richtigen" Museum eher schwierig. Jedenfalls für uns.

Das "Stadtmuseum" (wir nennen es jetzt einfach mal so, weil es das tatsächlich auch ist) war jedenfalls die richtige Wahl. Ich habe zwar nicht verstanden, warum wir den "reduzierten Eintritt" von je 10 Sloty bezahlt haben (obwohl ich doch laut und deutlich "Normalny" gesagt hatte). Aber egal. 

Jedenfalls: Das Museum war klasse. Wir haben eine Menge gelernt über die 1000 Jahre Geschichte der Stadt. Von den Piasten, über die Mongolen, die Habsburger, die Preußen, die Franzosen, die Nazis und die Sowjets und wer weiß noch wen, der sich hier in der Stadt und der Region Schlesien schon die Klinke in die Hand gab und dabei i.d.R. wohl auch die Taschen gefüllt hat (und Mord und Totschlag mit brachten. Wenn wir das auch nicht verallgemeinern wollen. Manchmal brachten sie sicher auch sinnige Neuerungen mit).

Wie auch immer. Besonders spektakulär - und leider auch fatal für die Stadt - war natürlich die Zeit der Nazi-Besetzung und da vor allem die Zeit von Januar bis Mai 1945, als Breslau zur "Festung" erklärt wurde. Damals blieb praktisch kein Stein auf dem anderen. Und den höchsten Blutzoll hatte natürlich die Bevölkerung - mal wieder - zu zahlen. Dies und der Schlendrian der sozialistischen Nachkriegswirtschaft veränderten Breslau/Wroclaw ganz erheblich. Trotzdem wurde es zu einer interessanten, lebendigen und vielseitigen Stadt mit  leider auch einigen (im wahrsten Sinne des Wortes) Schattenseiten. Oder nennen wir sie schlicht: Bausünden. Und von den vielen Leerständen wollen wir da gar nicht erst reden. Hat z.B. dieses noch sehr gut aussehende alte Hotel in der Nähe des "Mercure" wirklich keine Gäste (obwohl im Foyer Licht brannte)? Ganze Straßenzüge waren dunkel und wirkten komplett verlassen. Eine Top 10 Stadt wird Wroclaw bei zumindest mir nie werden. Aber sie gefällt mir schon deutlich besser, als das fast klinisch und steril wirkende Warschau. Hier geht einfach mehr Leben ab (was wir gerade in unserem Hotelzimmer wieder erfahren, da unten auch am Sonntag einige - wenn auch nur sehr wenige - Lokale offen haben. Von dem Spacko mit seinem 8-Zylindermotor und den häufigen Fehlzündungen, der scheinbar um den Rynek seine Runden auf der Suche nach Frischfleisch dreht - scheinbar ohne Erfolg - ganz nicht zu reden). 

Da das Wetter alles andere als besser wurde, zogen wir uns am Nachmittag erstmal wieder ins Hotel zurück.

Erst gegen frühen Abend hörte der Regen auf und wir wagten uns wieder - auf der Suche nach einem georgischen Restaurant - auf die Straße. Und das Essen im "Chinkalnia" war wirklich eine interessante Erfahrung. Okay, die georgische Birnenlimonade brauche ich kein zweites Mal (Ganz abgesehen davon, dass ich mal wieder Peach und Pear verwechselt habe und dachte, ich würde Pfirsichlimonade trinken). Aber die "Khatchapuri" (mit Ei und Spinat gefüllte Teigflächen) oder Christinas "Kubdari" (Flaches Brot mit Käse - ähnlich einer Pizza) waren nicht übel. Etwas sehr fettig, aber lecker. Und die Atmosphäre in dem Laden war auch inspirierend.

Wir wanderten dann noch ein wenig - bei kaum Regen - durch die Stadt. Sahen weitere sehr dunkle Straßenzüge, wunderten uns über Hotels, die kaum beleuchtet, aber wohl doch noch offen waren (ich schrieb es oben schon). Entdeckten einige sozialistische Bausünden und freuten uns über die lebendigen Straßen am Sonntag Abend. 

Nachdem wir in einem "Zabka" noch etwas Schwarztee besorgt haben (bekommt Christina momentan besser als Kaffee), beendeten wir diesen regenreichen Tag.

In den nächsten Tagen soll es wettermäßig nicht unbedingt besser werden. Morgen früh müssen wir dann mal überlegen, wie und vor allem in welche Richtung es weiter gehen soll.

Auf der Straße ist es übrigens - mal abgesehen von gelegentlichen verrückten Autofahrern mit ihren 8-Zylinder-Geschlechtsteil-Verlängerungen - verblüffend ruhig. Vermutlich deshalb, weil Sonntag ist. Und auch unsere wirren Nachbarn halten sich zurück.