Frankfurt (Oder)
Am frühen Nachmittag kamen wir dann in Frankfurt an der Oder an.
Noch kann ich mich - was den ersten Eindruck der Stadt betrifft - nicht gerade überschlagen vor Begeisterung. Aber wir lassen der Stadt mal die Chance. Vielleicht sieht das morgen ja anders aus. Das Hotel jedenfalls ist eine gute Wahl.
Am Morgen stand natürlich erstmal das hochgepriesene Frühstück an. Und in der Tat, es war nicht schlecht. Besonders interessant war das "Garnisionsbrot" mit Früchten und Nüssen (wenn auch nur dunkel gebackenes Weißbrot mit Färbung - das Geheimmittel?). "4,80 Euro, tiefgefroren, 500 Gramm - in einer ansehnlichen Geschenkebox".
Ungewöhnlich war die frühe Auscheckzeit mit 10.30 Uhr. Aber da wir früh beim Frühstück waren (ja, ich weiß, sonst hieße es ja nicht...), hatten wir Zeit. Christina wollte noch etwas chillen und ich mir Potsdam ansehen. Dummerweise stand das Auto in der tief nach innen verschachtelten (Schiebeparkplätze) Parkgarage, so das ich nicht an mein Fahrrad oder sonst was im Auto rankam (ein Minuspunkt übrigens für mich an das Hotel). Dafür kostet der Parkplatz mit 15 Euro auch drei Euro weniger, wie der Parkplatz draußen vor der Tür (wie man mir begeistert aufgrund meiner hochgezogenen Augenbraue mitteilte). Na, egal. Dann eben zu Fuß.
Und auch wenn die Gegend da in Potsdam wirklich sehr ärmlich ist (nur an jedem dritten Haus steht ein Porsche), kam man da zu Fuß sehr gut durch. Und weitläufig ist da nichts.
Sehr schnell war ich am "Brandenburger Tor" (wo wir vor ein paar Jahren im gleichnamigen Hotel mal untergekommen sind) und fand dort auch schnell einen anderen Eingang in den Sans Souci Park, wo ich noch ein paar Bilder machen wollte.
Nach dem doch recht aufwändigen Herausnavigieren aus der Garage - zum Glück ohne größere Schäden - machten wir uns auf in Richtung Wannsee. Was sich übrigens dank der Unmenge an Baustellen als etwas kompliziert herausstellte. Aber aufgeben gab es nicht - und so fanden wir den Weg zur Villa eben anders herum.
Denn wir wollten uns endlich mal die berüchtigte Wannsee Villa ansehen, in der am 20.01.1942 die gleichnamige groteske Konferenz stattfand, mit der Heydrich versuchte, die ohnehin schon angelaufene Endlösung und ihre Durchführung auf sich zu vereinen. Schlussendlich gelang ihm diese Konzentration nicht, weil er einem Attentat im Mai des gleichen Jahres in Prag zum Opfer fiel. Möglicherweise eine gute Tat mit Folgen, da diese Verbrecher tatsächlich von 11 Millionen Opfern ausgingen, die es - um im grausamen Jargon der damaligen Zeit zu bleiben - zu "behandeln" galt. Ein Synonym für "ermorden". Seltsam, dass diese Mörder trotz aller Brutalität nicht den Mut hatten, das auch so auszusprechen. Die Welt erfuhr von dieser "Verabredung zum Massenmord" durch ein übrig gebliebenes Protokoll der Besprechung. 12 Seiten, die den Leser kopfschüttelnd zurücklassen. Luther, ein Mitarbeiter des Aussenministeriums, hat sein Exemplar nicht vernichtet (wie befohlen), sondern in eine Akte namens "Endlösung der Judenfrage" einsortiert. Auch das kann man nicht glauben, dass diese Irren auch noch "Akten" für ihre Verbrechen anlegten.
Schockierend auch die Briefe der Täter nach Hause: Seitenlang Banalitäten über "Butter, die für die lieben Daheimgebliebenen und mein geliebtes Weib" literweise besorgt wurde und am Schluss ein Dreizeiler mit "ach ja, und auch heute haben wir wieder viele Juden behandelt. Frauen, Kinder, Alte - aber erzähle dem Kleinen nichts davon. Vielleicht mal später. Und mach dir keine Sorgen. Es muss ja sein".
In den Links (auf der linken Seite) findet sich die URL zu der sehr gelungenen ZDF Verfilmung dieser "Konferenz mit anschließendem Frühstück".
Diese Dauerausstellung in der Villa kann man jedermann/-frau dringend ans Herz legen. Auch wenn das kein unterhaltsamer Besuch ist. Aber ein notwendiger.
Irgendwie würde es dann auch passen, wenn wir es tatsächlich bis Auschwitz schaffen könnten. Aber zur Zeit sind wir uns da gar nicht so sicher. Slubice hat uns am Abend nicht so vom Hocker gehauen.
Aber der Reihe nach.
Wir wollten dann nach der Villa weiter nach Frankfurt (Oder). Nachdem wir kurzerhand in einem Aldi etwas Fassbrause (gibt es echt nur da) und Vesper für ein Picknick besorgt hatten, suchten wir uns einen Weg an der Autobahn vorbei nach Frankfurt. Dadurch lernten wir den Westen von Berlin sehr gut kennen - aber den Durchstich nach Osten über Land fanden wir nicht. Irgendwie führten alle Wege immer wieder auf die 115 ohne konkret Frankfurt da mal zu nennen. Dresden, Leipzig - alles da, aber nix Frankfurt (der richtige Hinweis war dann "Warschau" - immerhin auch noch 550 Km entfernt). Schlussendlich blieben wir dann auf der 115 und arbeiteten uns die letzten 60 Km an Frankfurt ran. Die geringe Distanz zu Berlin machte uns auch klar, warum der "Polenmarkt" oder "Polenbasar" in Slubice für viele Berliner so attraktiv ist (was uns schlussendlich dann aber doch ein Rätsel geblieben ist).
Gegen 17 Uhr waren wir dann auch bei wolkenreichen, aber trockenen Wetter in Frankfurt und fanden auch das Hotel sehr schnell. Die Stadt ist nicht sehr groß. Und das "Hotel zur alten Oder" gefiel uns (vielleicht mal abgesehen von der Signalfarbe) sehr gut. Die Farbe (und Abweichung zum Prospekt) erklärte der Inhaber etwas verlegen lächelnd dann auch so: "Ein Impuls im ersten Pandemiejahr. Zuviel Bewuchs der weg musste und Farbe, die wir noch hatten. Jedenfalls sieht man es sofort". Da hat er Recht.
Ich sattelte nochmal mein Fahrrad und fuhr über die Halbinsel "Ziegenwerder" in die Innenstadt. Oder das, was man in Frankfurt (Oder) so nennt. Auch wenn "Ziegenwerder" als Naherholungsgebiet an der Oder aufgrund seiner Wildwüchsigkeit sehr charmant rüber kommt, bleibt der Rest der Stadt eher verhalten zurück. Die Bauten sind eher zweckmäßig - auch wenn sehr viel neu gebaut und renoviert wird. Und die alte Substanz ist bestenfalls langweilig zu nennen. Die Wege und Straßen - vor allem die Gehwege - sind massiv renovierungsbedürftig. Auf vielen Gehwegen - die gleichzeitig auch Radwege sind - wird mit Schildern darauf hingewiesen.
Und weil ich jetzt schon mal so weit war, bin ich mit dem Fahrrad auch über die Brücke rüber nach Slubice. Und wenn ich Frankfurt noch als "grenzwertig" betrachtete, so hat Slubice dem noch ein Krönchen aufgesetzt. Verbaut, verkorkst und leider auch sehr schmuddelig. Und nur wirklich interessant für Leute, die ein dringendes Bedürfnis nach Zigaretten und Alkohol haben. Ich arbeitete mich noch bis auf die Höhe des viel gerühmten "Polenbasars" hoch und kehrte dann um. Auch weil die Wolkenbildung eher auf Sturm stand. Aber es blieb dann doch trocken.
Nun, das waren die ersten unsere ersten Eindrücke von Frankfurt (Oder) und Slubice - und wir fühlten uns noch in unseren Vorurteilen bestätigt. Keine Städte, die man unbedingt gesehen haben muss.
Als Abendbrot futterten wir unsere am Nachmittag in Berlin gekaufte Vesper auf (Brot, Zaziki, Käse, Kekse und Fassbrause) und beließen es dann dabei.
Mal sehen, wie sich die Stadt morgen zeigt.