Görlitz I

 

Dafür, dass uns Frankfurt (Oder) gar nicht so sehr gefallen hat, kamen wir heute hier nur sehr langsam wieder von los.

Das Frühstück nahmen wir gewohnt früh ein (obwohl das sicherlich in den nächsten Tagen immer später werden wird). Trotzdem waren schon einige Leute um 7 Uhr im Raum. Alles Geschäftsreisende - noch keine Touristen. Von denen sich ohnehin nur wenige nach Frankfurt verirren, wie ich am Nachmittag von einer Dame in der Gertrudenkirche erfuhr.

Nach dem Frühstück packten wir ein und kurvten dann noch ein wenig durch die - wirklich überschaubare - Innenstadt. Dabei kamen wir auch einmal um Frankfurt komplett herum. Viel Umland mit noch viel mehr grün.

Wir hielten dann am Hauptplatz - direkt neben dem "Oderturm", da Christina mal einen Blick in die Marienkirche werfen wollte. Die Kirche - wie wir dann später erfuhren - wurde in den praktisch Nachkriegswirren komplett zerstört. Frankfurt selber wurde eher weniger bombardiert. Die Zerstörungen begangen eher - wie ich in der Gertrudenkirche erfuhr - in den Nachkriegswirren. Während der DDR-Zeit war den Stadtverantwortlichen die zerstörte Kirche völlig schnuppe (wie der Rest der Stadt übrigens auch). Und somit wurde das neue Dach erst nach der Wende mit Mitteln der Westkirche wieder aufgebaut. Das sieht man auch, da die Dachkonstruktion regelrecht auf das Mauergerippe draufgesetzt wurde. Die Marienkirche war berühmt für ihre Glasfenster, die vor Kriegsende nach Potsdam verbracht wurden - und dort (netterweise schon verpackt) dann sehr schnell Kriegsbeute wurden. Immerhin wurde der sehr berühmte Passionsaltar mit den vielen Bildtafeln gerettet. Teile davon kann man davon heute in der Gertrudenkirche sehen. Warum nur Teile? Weil irgendwann in den 90igern der Altar restauriert wurde und dabei "verschwanden" 2-4 der Tafeln auf ungeklärte Art und Weise. Die Dame in der Gertrudenkirche erzählte mir davon - aber eher peinlich berührt, als geschichtlich interessiert.

Wir liefen dann noch bis zur Brücke nach Polen (Christina wollte sie bewerten) und dann wieder zurück zum Auto. Auch wenn die Stadt bei Sonne natürlich etwas gefälliger wirkte: richtig gut wird es trotzdem nicht. Zerrrissen, unfertig (obwohl wie verrückt gebaut wird - allerdings alles nur "Zweckbauten" - wie die Dame in der Kirche erzählte. Also vermutlich Wohnraum. Was so schlecht ja auch nicht ist. Allerdings architektonisch eher 90iger) und trotzdem sehr marode. Um nicht zu sagen leicht "schmuddelig". Keine Stadt, in die man zweimal fahren muss.

Und natürlich fuhren wir rüber nach Slubice. Wir wollten den "Polenbasar" besuchen. Man hat ja viel davon gehört. Aber das Ergebnis war wie erwartet für uns: Das ist auch nicht so unser Fall. Schuhe, Kleidung, Schmuck, etwas Elektronik und ein paar Lebensmittel. Aber alles eher von der einfachen Art. Inwieweit billiger? Können wir gar nicht sagen. Wir liefen einmal quer rüber und das reichte dann auch für einen Eindruck. Also nix wie weiter. Da uns auch Slubice eher abgeschreckt hatte, beschlossen wir wieder zurück nach Frankfurt zu fahren und über Eisenhüttenstadt nach Görlitz zu kommen. Auch deswegen, weil unklar war, wann vor Görlitz der nächste Übergang über die Oder nach Deutschland kommen würde (da war unsere Karte doch zu ungenau).

Und so kamen wir schneller wieder zurück nach Frankfurt, als wir ahnen konnten. 

Da wir keine Lust auf Autobahn hatten, suchten wir uns eine Landstraße der Oder entlang in Richtung Görlitz. Auch wenn damit die 129 km deutlich länger ausfallen dürften. 

Aber der "Umweg" lohnte sich. 

Die Lausitz ist wirklich wunderbar. Teilweise fuhren wir ewig lang durch dichte Wälder, immer mal wieder unterbrochen von freien Flächen und netten Dörfern. Eine wirklich schöne Landschaft.

Vielleicht nur unterbrochen durch die Zerstörungen durch den Tageabbau. Bei Grießen kurz vor Forst/Lausitz wurden wir von einem durchaus seltsamen Sandsturm überrascht. Das Rätsel dieses auf uns merkwürdig wirkenden Effekts (wo kommt das nur her?) löste sich, als wir in Grießen ein Schild entdeckten: "Aussichtspunkt Tagebau". Das mussten wir uns natürlich ansehen. Und es war erwartungsgemäß furchtbar. Über Kilometer eine riesige Schneise in der Landschaft, breit bis Polen rüber. Immerhin in der Mitte mit einem Rekultivierungsversuch. Aber das wirke eher lächerlich. Und diese gewaltige Fläche war verantwortlich für den Sand in der Luft. Der starke Wind sorgte für einen gewaltigen hellbraunen Schleier. Da halfen die paar Wassersprenger an der Straße auch nicht mehr. Wir kauten noch stundenlang auf Sand herum. Aber - so stand es auf dem Infoplakat - damit müssen die Anwohner wohl leben. Aber "man versucht ja, die Auswirkungen zu reduzieren". Aber auch diese Absichtserklärung wirkt irgendwie fadenscheinig.


Trotzdem gefiel uns die Gegend. Gegen 17 Uhr kamen wir dann in Görlitz an und fanden die Innenstadt auf Anhieb. Etwas schwieriger gestaltete sich das mit dem Hotel. In der Innenstadt gab es zwar ein paar, aber die zu finden war nicht einfach. Vom Parken davor ganz zu schweigen. Und so entschieden wir uns, noch ein paar Kilometer aus Görlitz rauszufahren und in Markersdorf das Hotel "Marschall du Roc" zu suchen. Was uns auch gut gelang. Es gefiel uns und wir beschlossen - nach dem ersten Blick auf Görlitz - das wir zwei Nächte bleiben wollen. Was auch gut klappte.

In dem Hotel waren einige Bundespolizisten untergebracht, die - wie uns der Concierge mitteilte - wegen der illegalen Grenzübergänge hier stationiert sind. Und zwar für längere Zeit. Zwei Hundertschaften sollen extra dafür abgestellt worden sein. Das Problem scheint ziemlich eklatant zu sein - nur interessiert es in der Republik niemanden mehr, so unser Concierge. In der darauffolgenden Nacht scheint auch ein georgischer Schlepper erwischt worden sein, der in einem normalen Kleinbus 47 darin stehende (!) Flüchtlinge von Polen nach Bautzen versuchte zu bringen. Er warf die irgendwo raus und versuchte zu flüchten. Nachzulesen auf MDR Sachsen - siehe den Link auf der linken Seite.

Nun, dass war uns in der Tat alles neu. Für das Hotel bedeutete es aber eine angenehme feste Belegung. 

Christina wollte noch etwas chillen und ich sattelte mein Fahrrad und fuhr rein nach Görlitz. Auch immerhin über 8 Km von Markersdorf entfernt. Den Weg (mit angeblichen Radwegen) über Gebirgsdorf - wie vom Concierge empfohlen - fand ich dann doch nicht. Wie sich am nächsten Tag aber herausstellte, hätte ich nur die 4 Km bis Gebirgsdorf fahren müssen und hätte dort die "Sandschänke" entdeckt. Das es so weit ist, hatte er aber unterschlagen. Aber der Weg oben entlang der Straße 6 rein nach Görlitz tat es dann auch (auch wenn die Radwege da faktisch nicht vorhanden waren). Ich folgte einfach zwei Jugendlichen, die diese Strecke sehr selbstbewusst angingen - auch wenn die ersten Meter auf der Landstraße entlanggingen. Der Hinweg (nach der ersten Steigung von Markersdorf aus) bergab in die Stadt hinein, fiel noch sehr leicht. Lange blieb ich  aber nicht in der Altstadt (die mir gut gefiel). Der Himmel bewölkte sich etwas (blieb aber trocken) und ich konnte den Rückweg jetzt doch nicht so gut einschätzen. Alles in allem war das Fahrradfahren in Görlitz aber ok. 

Immer noch gibt es in Görlitz viel alte Gebäude, an denen was gemacht werden muss. Häufig findet man noch die verrücktesten Werbebotschaften oder Geschäftsnamen an den Häusern ("Elektrische Kaminreinigung"). Spektakulär auch der alte "Kaffee-Ausschank". Unvorstellbar, dass man früher (bis wann genau?) nur so in den Genuss einer Tasse Kaffee kommen konnte. Und es gibt noch einige der "Landskron-Bierkneipen", die schon recht schräg von aussen aussehen (genauso viele sind aber auch schon für ewig geschlossen). Aber alles in allem hat Görlitz wirklich was. 

Ich kam gut wieder zurück und wir futterten die Reste unseres Picknicks als Abendessen auf.