Lidice und Teresin

 


Das war heute ein eher emotional komplexer Tag. Zwei erschütternde Orte kurz hintereinander besucht. Den einen eher durch Zufall.

Natürlich haben wir am Morgen noch einmal sehr (!) ausgiebig das exzellente Frühstück im Hotel in Prag genossen. Diesmal übrigens begleitet von einer Harfenistin. So was setzt natürlich Maßstäbe! 

Wir ließen uns also Zeit. Allerdings wollten wir dann das Angebot des Hotels, uns das Arbeitszimmer von Kafka, welches jetzt auch ein Hotelzimmer ist, noch einmal anzusehen. Die "Kafka Suite" auf dem dritten Stock reizte uns schon sehr - aber trotzdem nahmen wir das freundliche Angebot nicht an, da wir noch bis zum Nachmittag hätten warten müssen. Und auch wenn wir keinen wirklichen Zeitplan mehr hatten ("irgendwie in Richtung Heimat"), wollten wir weiter. Aber schon die Geste fanden wir super!

Schweren Herzens trennten wir uns also bei besten Wetter von Prag und fuhren in Richtung Westen. Die Parkplatzsituation im Ibis war übrigens ganz leicht zu lösen. Es war natürlich doch so, wie uns die ganze Zeit zugesichert wurde: Ibis und das M-Gallery haben eine Kooperation und die Kafka-Hotel Gäste können dort im Ibis Bereich parken. Das ist zwar nicht billig, aber was soll's. Hauptsache gut abgestellt. 

Noch waren wir also recht unschlüssig in Sachen Richtung und Ziel, als uns knapp 50 Kilometer hinter Prag ein Schild am Straßenrand auffiel: "Lidice". Der Name und Ort kam uns natürlich bekannt vor, vor allem, weil er in den letzten Tagen in Potsdam und Prag allgegenwärtig war. Sollte es sich bei diesem Ort um den Ort handeln, der im Juli 1942 von den Nazis komplett zerstört wurde, als "Racheaktion" für die mehr als gerechtfertigte Tötung von Heydrich? Aber soll dieser Ort nicht total vernichtet sein?

Kurz entschlossen bogen wir ab und suchten den Ort auf. Und es handelte sich tatsächlich um den besagten Ort, bei dem heute neben dem Mahnmal an dem alten Ort Lidice, wieder ein neuer Ort errichtet wurde: Neu Lidice. Dieses Mahnmal mussten wir uns natürlich ansehen.

Und Ort und Mahnmal sind wirklich sehr bewegend. Nun ja "Ort" ist da ein relativer Begriff. Denn tatsächlich ist der Ort nicht mehr existent. Die Mörder haben damals wirklich alles - sogar den Friedhof - vernichtet. Von der Bevölkerung gar nicht zu reden. Unten in dem Tal an dem Hof, in dem die Ermordungen stattfanden, ist nur noch ein Grundriss zu erkennen. Ansonsten absolut nichts mehr. Ein fast lieblich wirkendes sanft geschwungenes kleines begrüntes Tal mit einem Teich oben rechts. Ansonsten nur noch ein Weg hindurch, der ungefähr der damaligen Hauptstraße entspricht. Mehr ist nicht übrig geblieben. Und von der Bevölkerung hat so gut wie niemand überlebt. Was um so verwirrender ist, da die Menschen damals mit dem Attentat auf Heydrich überhaupt nichts zu tun hatten. Aber nach Gründen haben die Nazi-Mörder ja nie groß gesucht. Uns selbst schockte noch auf einem der Dokumente ein Name des hauptverantwortlichen Polizeileiters aus Halle (Heydrich kam aus Halle, weshalb vor allem "Polizeikräfte" aus der Gegend im Juli 1942 hier "aktiv" waren. Der Mann hieß "Horst Böhme". Ich kann nur hoffen, nicht verwandt und nicht verschwägert. Falls die Mörder allerdings damals glaubten, sie kämen mit der Tat davon: falsch gedacht. Fast alle sind von den Tschechen oder Alliierten später gefasst und verurteilt worden. Die meisten zur Todesstrafe. Immerhin.

Das oberhalb des kleinen Tales gelegen Dokumentationszentrum ist wie immer hervorragend und bewegen. Es stammt - angesichts des riesigen Frieses im Hauptteil des Gebäudes - vermutlich noch aus der kommunistischen Zeit. 

Wir blieben länger, als wir eigentlich wollten. Auch wenn uns das Thema sehr aufwühlte.

Wir fuhren weiter und beschlossen, über "Teresin" (Thersienstadt) zu fahren. Warum und wieso war uns nicht ganz klar. Wir kannten es schon. Aber vielleicht, um diese Fahrt mit ihrem kaum zu verhindernden Schwerpunkt "Nazionalsozialistische Verbrechten" abzurunden. Wie gesagt, wir kannten den Ort schon, der sich seit 2009 kaum verändert hat. Im Gegenteil. Alles wirkt sogar noch verfallener. Wir besorgten uns im einzigen (chinesisch geführten) Supermarkt am Marktplatz etwas Brot und Käse und picknickten auf einer Bank. Neben zwei schwer alkoholisierten Frauen, die sich in regelmäßigen Abständen Nachschub aus dem Supermarkt holten. Es gibt angenehmere Plätze, um zu Mittag zu essen. Aber sicherlich auch wenige, die ungewöhnlicher sind. Der Ort beschäftigte uns auf viele Arten, während wir zu Mittag aßen. 

Vielleicht war das auch der Grund, warum wir dann entschieden, in Richtung Bad Schandau zu fahren. Wir ließen uns noch etwas Zeit in Teresin und schauten uns noch einige anderen Ecken an. Auf das Museum verzichteten wir, da wir das nun wirklich kannten - und langsam war es auch genug.

Der Weg nach Bad Schandau war spektakulär und unterhaltsam. Diese Gegend auf beiden Seiten der Grenze ist wirklich großartig. Uns war noch nicht klar, wie es weitergehen soll, daher suchten wir uns am recht späten Abend in Bad Schandau erstmal eine Unterkunft. Untergekommen sind wir im "Hotel Grundmühle auf der anderen Seite der Elbe (flussabwärts links). Dort fanden wir noch - es war schon fast 21 Uhr - ein überraschend günstiges Appartement und die sehr gesprächige Concierge war angenehm überrascht, dass so spät noch jemand kommt. Insofern konnten wir die ganzen Benefits des Hotels gar nicht nutzen. Aber um so mehr freuten wir uns auf das Frühstück am nächsten Morgen. Wir schauten uns noch etwas die Umgebung des Hotels an und beendeten dann den langen - und emotional auch sehr anstrengenden - Tag.