Prag II


Aber so regnerisch wurde dieser Tag dann doch nicht. Im Gegenteil. Aber wir setzten noch einige Kilometer auf unsere imaginäre "Laufuhr" heute drauf und schauten uns noch so einiges an. Der zusätzliche Tag in dieser wunderbaren Stadt war also eine gute Idee. 

Nachdem wir das hervorragende Frühstück ausführlich genossen haben (heute übrigens "unterstützt" von einem Live-Cello-Spieler) und ich die Chance nutzte, im Haus alle (vermutlich) alten 80iger Jahre Fotos abzufotografieren - machten wir uns durch den Regen auf den Weg. Zum Glück nicht sehr weit, denn das "MOC - Museum of Communism" - liegt praktisch genau gegenüber unserem Hotel in dem Gebäude des "Billa-Supermarktes" (weswegen wir am Vortag ja auch darauf aufmerksam wurden).

Zu unserer Überraschung war das Museum ziemlich voll, was wohl an dem Regen draußen lag. So war es nicht immer ganz einfach, die Informationstafeln zu lesen. Tatsächlich behandelte das Museum nur am Rande (so jedenfalls unser Eindruck) das Thema des Kommunismus ab. Nur die ersten drei Tafeln bearbeiteten den Inhalt und die Ursprünge des Kommunismus. Dann ging es aber sehr rasant dazu über, wie der Kommunismus 1948 in der damaligen Tschechoslowakei Fuß fasste. In einer unblutigen Revolution (Die Tschechen nennen es allerdings "Staatsstreich") gelang es der kommunistischen Partei unter Gottwald die Macht an sich zu reißen. Im folgenden beschrieb das Museum dann die Folgen dieser Regierungszeit bis 1989. Und die fanden - im Nachhinein - die Tschechen alles andere als lustig. Ziemlich offen, kritisch und massiv ablehnend werden die Folgen für Land, Wirtschaft, Umwelt und die Menschen selber beschrieben. Besonders hervorgehoben wird der sehr krasse Personenkult um Stalin, für den man sich rückblickend sogar fast schämt. Jedenfalls wird an dieser Zeit kein gutes Haar gelassen. Das Museum endet dann mit den Umbruchsphasen in den Jahren ab 1989 europaweit und konkret natürlich mit der "samtenen" Revolution auf dem Wenzelplatz (die angesichts der Bilder aber alles andere als "samten" war). Genau in dieser museal gesteuerten Stimmung, bekamen wir einen sehr unschönen Post aus der Badminton-Gruppe zum Thema Bundestag mit ("Das Haus der Versager"), der uns ziemlich ärgerte. Da kann man nur sagen: "Leute, schaut euch mal die Folgen in einem Land an, welches gerade nicht auf ein solches "Haus" zurückgreifen konnte". Erschütternd und uns völlig unbekannt übrigens auch, wie viele Tschechen bei dem Versuch das Land zu verlassen umgekommen sind. Wenn ich die Zahl noch richtig in Erinnerung habe, waren das über die Jahre 480 Menschen, die bei einem Fluchtversuch während oder danach ermordet worden sind. Auch dieser Teil wurde sehr nachdrücklich in dem Museum dargestellt. Auch eine Erkenntnis, das ich selber nie drüber nachgedacht habe, dass die "Mauertoten" nicht nur ein singuläres Element der bundesdeutschen Geschichte waren, sondern dass darunter auch andere sozialistische Länder litten.

Ein interessanter, wenn auch nicht einfacher Vormittag also. 

Und inzwischen wurde auch das Wetter deutlich besser.

Unser nächster Weg führte uns dann direkt zum Wenzelplatz, der im Vergleich zum Winter 1983 jetzt ein lauter, bunter und sehr lebendiger Platz geworden zu sein scheint.  Mit vielen Kettengeschäften (warum z.B. gefühlt drei (!) "Starbucks-Cafes" auf beiden Seiten des Platzes ihre Lebensberechtigung finden mussten, ist nur schwer nachzuvollziehen) und noch mehr sehr exklusiven Einkaufsläden. Das muss wohl so sein. 

Für das Naturkunde und Geschichtsmuseum oben am Nationalmuseum (Narodni muszeum) reichte die Zeit leider nicht mehr. Aber ein guter Grund, bald wieder zu kommen.

Wir wanderten weiter in Richtung Altstadt und dort in das jüdische Viertel. Christina wollte sich gerne den jüdischen Friedhof ansehen. Auch das war es natürlich dann ziemlich voll - wenn auch nicht so, wie am Vortag. In der nicht billigen Eintrittskarte konnten wir uns dann auch die Pinkas- und die Klausen-Synagoge mit ansehen. Besonders beeindruckend in der Pinkas waren die über und über mit Namen der Opfer versehenen Wände. Auch dies ein sehr erschütterndes Dokument. Angeblich "nur" 75.000 Namen. Mir kam das viel mehr vor.

Der Friedhof selber stellt einen Rundweg (eine Acht) dar, der einen über diesen komplett unveränderten (das schreibt das jüdische religiöse Gesetz vor) Ort führt. Sollte man mal gesehen haben. PS: Das "Pelzmütchen", das dort herumlief, trafen wir übrigens am Abend vor unserem Hotel wieder.

Der Eindruck reichte uns dann auch und wir schenkten uns die "Maisel-Synagoge". Christina ging zurück zum Hotel - ihr reichte der Tag langsam - und ich wanderte nochmal zur Karlsbrücke, um ein paar Aufnahmen im späten Nachmittagslicht machen zu können.

Und weil wir irgendwie von dieser Stadt noch nicht genug bekommen konnten, wanderten Christina und ich am frühen Abend nochmal rüber. Diesmal aber auf die "Cechuv Most", um von dort nochmal einen Blick auf die Burg zu erhaschen. Auf dem Rückweg warf ich dann nochmal schnell einen Blick in das Hotel "Metropol", in dem wir eigentlich vor 3 Tagen unterkommen wollten. Tatsächlich gab es nur "genügend Parkplätze in der näheren Umgebung des Hotels" (so der Concierge). Die Einrichtung des Hotels war ziemlich altmodisch auf 60-70iger Jahre ausgerichtet. Nicht uninteressant. Vor allem der große Essenssaal. Merkwürdigerweise kam mir das irgendwie alles bekannt vor. Aber vermutlich eine gute Entscheidung für uns, dass wir statt dessen im "M-Gallery" unterkamen. 

Spät am Abend beendeten wir dann auch diesen langen zusätzlichen Tag in Prag. Morgen wollten und mussten wir dann wirklich weiter. Wohin war uns in diesem Moment noch nicht klar. Aber morgen sollte erst nochmal das Frühstück anstehen...