Prag I
Am nächsten Morgen genossen wir zum ersten Mal - diesmal für unsere Verhältnisse um 7.30 Uhr sogar recht spät - das wirklich ausgezeichnete Frühstück des Hotels. Das lässt in der Tat nahezu keine Wünsche offen. Das sog. "Egg-Cloud" (oder Eier-Nest) kannte ich auch noch nicht. Bisher aber noch nicht probiert. Wirkt zu mächtig (mit dem aufgepluderten Ei und dem Lachs - vermutlich - dazwischen). Von dem Frühstückssaal kamen wir eine ganze Zeit lang nicht los.
Da Christina noch etwas brauchte, ging ich schon mal vor und orientierte mich neu. Vor allem etwas abseits des direkten Weges zur Brücke. Vorher schaute ich aber nochmal in die "Karolinum-Bücherei" hinein, die zur Universität gehört. Sie fiel mir gestern Abend auf, da sie in der Nähe des Karlova 1 - Restaurants liegt. Was ich eher ungewöhnlich fand, neben den ganzen Souvenir-Shops, Waffel- und Schnickschnack Restaurants und Massage-Läden. Außerdem fiel mir ein Buch auf. "Lvov" oder Lview - Lemberg, dass ich auch gerade lese. Ein toller Buchladen. Allerdings war die Englisch-Abteilung sehr klein mit nur einem Regal. Interessant war die historische Aufarbeitung des Heydrich-Attentates vom Mai 1942. Obwohl ein tschechisches Werk, war mehr als die Hälfte des dreibändigen Werkes auf Deutsch.
Dann kehrte ich ins Hotel zurück und holte Christina ab. Und um 10.30 Uhr waren wir dann zusammen auf dem Weg. Und der sollte bis kurz nach 17 Uhr andauern. Da hatten wir heute ordentlich Ausdauer. Das Wetter spielte allerdings auch gut mit. Und sogar am Nachmittag, als eigentlich ein bedeckter Himmel angesagt war, schien die Sonne.
Zuerst liefen wir zum "Socha Franze Kafky" und schauten uns dort die Statue des guten Franz an. Christina konnte sie bewerten! Mir schien sie etwas schräg: Kafka auf einem übergroßen hand- und kopflosen Torso reitend. Hm? Was genau soll uns das sagen? Von dort aus ging es weiter in Richtung Konzerthaus an der Moldau. Dort überlegten wir, wie wir weitergehen wollten. Wir entschieden uns, über die "Manesuv Most" rüber zur Kleinseite zu laufen. Und von dort aus uns links zu halten, um zur Karlsbrücke zu kommen. Aber schon kurz hinter der Brücke beschlossen wir, das "Franz-Kafka-Museum" zu besuchen. Das liegt direkt hinter dem "Slibovice" Museum des guten Jelinek (was aber vermutlich ähnlich, wie das "Pilsener-Museum" in der Neustadt nur der Versuch eines verschleierten Verkaufsladens sein dürfte). Das Kafka-Museum war nicht übel. Etwas dunkel gehalten vielleicht (passend zu der Grundstimmung des Franze Kafky. Und auch extrem leselastig durch (schwer lesbare) Briefe (Faksimile) und Tafeln in drei Sprachen - und leider wenig Exponate darüber hinaus. Aber interessant war es trotzdem, mal wieder in die Gedankenwelt des Autors einzusteigen. Ich habe zuletzt vor über 40 Jahren von ihm was gelesen. Irgendwann wird seine Grundstimmung und damit sein Thema zu düster und verzweifelt. Interessant auch, das sehr viele junge Menschen das Museum besuchten. Vor allem junge Frauen. Kaum Männer. Und viele konnten die Briefe von Franz sogar lesen. Kafka schrieb nur auf Deutsch, da er der deutschen Community in Prag angehörte. Und dort erfuhren wir auch, dass wir an einem historischen Ort übernachten (Christina hatte es aber schon vorher im Hotel mitbekommen). Kafka arbeitete mehrere Jahre in dem Gebäude, in dem früher die "Arbeiter-Unfall-Versicherung-des Königreichs Böhmen" untergebracht war, als Vice-Sekretär. Er mochte diese Arbeit nicht besonders. Allerdings mochte Kafka ohnehin herzlich wenig. Vor allem seinen Vater nicht ("Briefe an den Vater"). Wer weiß, vielleicht übernachten wir ja genau in seinem Büro? - Nachträgliche Anmerkung: Leider nicht. Das Büro befand sich in Zimmer Nr. 214. Dort gibt es sogar eine Tafel, die daran erinnert. Na gut - aber nahe dran!
Wir entschieden uns dann doch in Richtung Hradschin zu laufen. Das Wetter wurde von Minuten zu Minute besser. In einem Restaurant/Cafe namens "Seminar" setzten wir uns dann erstmal in den wunderschönen Innenhof und tranken Tee und "Homemade Lemonade" (Mint und Lemon). So gewappnet machten wir uns weiter auf den Weg nach oben. Nur um schon nach wenigen Meter an einer Ökumenischen Kirche anzuhalten und kurz reinzuschauen (die Bewertungen!). Und wie es der Zufall wollte, gab es gegenüber einen "Trdelnik" Geschäft (wie im Grunde tatsächlich an JEDER Straßenecke hier in der Stadt), wo man diese ganz speziellen walzenförmigen Gebäckstücke mit Zimt/Zucker Belag bekommen kann. In der Regel noch gefüllt mit Schokolade, Marmelade oder Bergen an Eiskugeln. Wir wollten schlicht das Basic-Gebäck einfach mal kosten (für 80 Kronen) und setzten uns dafür auf einen Steinabsatz bei der Kirche. Im Grunde nichts besonderes. Schmeckt, wie Hefegebäck eben so schmeckt (es sei denn, eine der Hefe-Rohteig-Kugeln fällt beim Jonglieren runter und wird kurzerhand wieder in den Prozess eingegliedert - so gesehen bei unserem (!) Trdelnik. Der Geschmack wird durch den Zuckerbelag erzeugt. Oder eben durch die Mörderfüllungen. Aber nahezu jeder futtert es auf den Straßen.
Ich kletterte dann noch die letzte Straße hoch zur Burg, während Christina vor der Statue "Toileta" wartete. Der Blick war wieder mal atemberaubend.
Wir liefen dann hinten herum, etwas fernab vom Trubel, wieder zurück zur Karlsbrücke. Die immer noch - wie auch den Rest des Tages - proppevoll war. Auf der Altstadtseite liefen wir durch das "Clementinum", um auch da der Menge der Hauptgasse zu entgehen. Tatsächlich war es dort schön ruhig. Dann wurde nochmal Jan Hus fotografiert und schließlich ging es zurück ins Hotel.
Das war eine ordentliche Wanderung und wir machten erstmal Pause.
Da die Stadt massiv "fleischlastig" ist und Vegetarier bestenfalls "Gegrillten Käse" und "Vegetarischen Bürger" bekommen (das wird tatsächlich als einzige vegetarische Variante in zumindest einigen Gaststätten angeboten), verzichteten wir auf ein Restaurant. Ich holte stattdessen im "Billa" ein paar Sandwiches - was allerdings auch nicht leicht war. Auch da galt: Fleisch ist mein Gemüse.
Und schlussendlich machten wir uns dann auch nicht nochmal auf die Socken. Der Tag reichte aus. Aber wir setzten uns in die nette Bar und tranken eine Kleinigkeit (Baileys und ein dunkles Kozel). Und da trafen wir die Entscheidung, noch einen Tag länger zu bleiben. Erstens gefiel uns das Hotel und zweitens gab es noch viel zu sehen. Wir wollten morgen in das "MOC" (Museum of Communism) und den Wenzelplatz wollten wir uns auch anschauen. An der Rezeption stellte sich das als problemlos heraus und so konnten wir noch einen Tag bleiben. Wohlwissend, dass der morgige Vormittag sehr regnerisch werden sollte.